Die Welt ist subjektiv

27. Februar 2025

Wir erleben und erinnern auf unterschiedliche Weisen

Der Expressionismus beschrieb die Welt oft mit einer fehlenden «objektiven, echten und in sich schlüssigen Wahrheit/Realität»». So waren Figuren in Büchern der Welt ausgeliefert ohne sie zwingend zu verstehen oder fähig zu sein sich darin zu bewegen. Die Umgebung wurde als chaotisch, inkohärent und widersprüchlich beschrieben. So folgten auch die Ereignisse im Buch Berlin Alexanderplatz nicht einer chronologischen, geradlinigen Reihenfolge und Franz Biberkopf reagierte nicht immer logisch oder analytisch nüchtern auf Dinge, die im passierten. Im Unterricht schauten wir ein Film zum Holocaust «Son of Saul». Auch hier waren Sauls Aktionen oft nicht von Logik getrieben, sondern mehr aus einem Gefühl heraus oder aus der Unfähigkeit mit seiner Situation umzugehen. Ich denke da an die Szene als er die Schaufel in den Fluss wirft oder die Obsession von diesem Kind und der Dringlichkeit seiner Suche nach einem Rabbi um das Kind zu begraben. Als Konsument von Werken der literarischen Moderne ist man teilweise ebenfalls in einer nicht transparenten Wolke an Informationen und Geschehnisse zurückgelassen. Der moderne schreibstyl spielt damit, dem Leser nicht alle notwendigen und zur gleichen Zeit einen Überfluss an nicht relevanten Informationen zu geben. Dies macht das Lesen weniger flüssig. Man wird nicht an der Hand durch die Geschichte genommen und man wird nicht auf, für den roten Faden wichtigen, Elemente hingewiesen. Das entspräche eher einem traditionellen Erzählstyl. Die moderne Art zu erzählen bildet die Welt Realitätsnäher ab. In unserer Realität werden wir ebenfalls vielen unwichtigen Informationen ausgeliefert - wir müssen filtern. Spannend zu erwähnen ist, dass wir Rückblickend oft den Filter bereits verwendet haben. Wir erinnern Dinge viel chronologischer, logischer und geradliniger als sie tatsächlich waren. Man kann sagen, moderne Literatur erzählt wie wir Dinge erleben, während traditionelle Literatur die Dinge so erzählt, wie wir sie erinnern würden. Ein Teil dieses Phänomens entspringt dem menschlichen Drang nach einer Logik, Kontinuität und objektiven, klaren Wahrheit zu suchen. Über die Zeit hinweg reimen wir uns eine schlüssige Geschichte zusammen.

Gibt es eine objektive Wahrheit?

Dieser Drang nach Kohärenz zeigt sich nicht nur in der Art und Weise wie wir erinnern. In der heutigen Welt sind wir mit social Media und der blitzschnellen Verbreitung von Massen an Informationen übers Internet sehr vielen verschiedenen und sich widersprechenden Narrativen ausgesetzt. Jede und Jeder muss sich selbst ein Bild über die «Realität» machen. So stellt man sich die Frage ob es eine objektive Realität/Wahrheit gibt. Ich glaube diese Frage ist nur teilweise Zielführend. Wir alle Leben in einer von uns wahrgenommenen und kreierten Realität. Wenn man religiös ist, und an einen Schöpfer glaubt, gibt es diesen auch in der eigenen Weltvorstellung. Ob es diesen tatsächlich gegeben hat ist irrelevant und beeinflusst das Leben dieses Individuums in keiner Weise. In dieser Frage könnte eine allwissende Instanz zwischen richtig und falsch entscheiden. Trotzdem ist die Frage nach der Wahrheit, wenn nicht eindeutig beantwortbar, für das Individuum ins nichts führend. Ich glaube es gibt auch Fälle, wo sogar eine allwissende Instanz nicht mehr zwischen wahr und falsch entscheiden kann. Die Beurteilung von menschlichen Handlungen ist oft Auslegungssache und stark subjektiv. Es gibt keine objektive Sichtweise auf bestimmte Dinge. So kann zum Beispiel ein Thema von der politischen Linke und der politischen Rechte ganz anders ausgelegt und beurteilt werden. Beide Seiten erzählen die Wahrheit und ziehen logische Schlüsse und trotzdem widersprechen sie sich stark. Wir kreieren unsere Realität und Leben dann auch in dieser. Was von eine*r allwissenden Zuschauer*in als Realität wahrgenommen werden würde, spielt für uns keine Rolle. Das letzte Beispiel hinkt, da Politik natürlich auch stark eine Frage der persönlichen Werte ist.

Ich will hier noch erwähnen, dass das oben genannte nicht mit dem Ansatz «Ich glaube was ich glauben will, weil dies dann zu meiner Realität wird.» verwechselt werden darf. Man kann nicht die Augen vor Problemen schliessen und sie gehen wie von Zauberhand weg. Dieser Ansatz ist nicht nur falsch, sondern gefährlich, da man jemandem, der einem eine schöne und einfache Realität präsentiert, zu leicht Vertrauen schenkt. Man darf die Komplexität der Dinge nicht vereinfachen um es sich selbst leicht zu machen.

Metatext

Ich bin nur teilweise mit diesem Blog zufrieden. Ich finde er spricht ein spannendes Thema an, über welches ich mir auch sonst schon oft Gedanken gemacht habe. Der Gedankengang aus dem Theorieteil entspringt einer Deutsch Lektion, welche ich noch gut in Erinnerung habe. Ich war mir dem Unterschied wie wir Dinge erleben und sie danach erinnern zuvor nicht bewusst. Auch das Thema des zweiten Teiles finde ich spannend. Jedoch habe ich die Gesamtaussage dieses Blogs und die Verbindung der Themen nicht wie gewünscht erreicht. Es fehlte an genügend detaillierte, anfängliche Planung des Textverlaufes.