Das Ablösen der Religion durch die Philosophie

14. Januar 2025

Lessings Verständnis der Religion

Im Deutschunterricht vor den Herbstferien wurde das Buch «Nathan der Weise» von Gotthold Ephraim Lessing thematisiert. In seinem Werk veranschaulicht Lessing seine Vorstellung eines aufgeklärten Verhaltens verkörpert in der Figur Nathans. Er hinterfragt kritisch, akzeptiert nicht blind die Traditionen der Gesellschaft, denkt selbstständig und strebt nach der Wahrheit. Lessing fordert zu erfahrungsbasiertem und logischem Denken auf. Er glaubt an eine «selbstverschuldete Unmündigkeit» der Menschen, welche in der Aufklärung ihr Ende findet. Unmündig ist hierbei eine Beschreibung für das Nicht-hinterfragen der Strukturen und das wortwörtliche Verständnis der Religion. In seiner Ring Parabel beschreibt Nathan, welcher das Idealbild Lessings verkörpert, die Essenz und Bedeutsamkeit der Religion. Jede Religion sei ein Abbild einer «natürlichen Religion», einem Drang richtig zu handeln. Laut Nathan ist die Frage nach der richtigen Religion irrelevant, weil der Wert einer Religion im Einfluss auf den Menschen liegt. Die Religion ist wertvoll, wenn sie den Menschen ethisch und Werte-basierend handeln lässt – unabhängig von der Art und Weise wie die Religion die Werte kommuniziert. An diesem Punkt will ich mit meinem persönlichen Teil ansetzen. Genau wie Lessing sehe ich den wahren Wert einer Religion in der Auseinandersetzung mit tiefgründigen Fragen. Die Suche nach dem richtigen Handeln und der Befriedigung eines Ur-Bedürfnisses des Menschen, sich etwas Grösserem zugehörig zu fühlen. Ich glaube viele Menschen heutzutage beantworten diese Themen nicht mehr mit Hilfe der Religion, sondern mit jener der Philosophie. Das Aufstreben der Philosophie gab den Menschen der Aufklärung genug Halt, um sich von den Traditionen und Denkweisen der Religion zu lösen.

Wie der Wechsel von einem religiösen zu einem philosophischen Blickwinkel bei der Beantwortung tiefgründiger Fragen ein aufklärerisches Denken ermöglichte.

Eine logische Frage aus Lessings Aussage über die «selbstverschuldete Unmündigkeit» ist die nach dem Weshalb. Wieso wurden die Menschen nicht schon früher «mündig» und begannen mit dem Aufklärungsprozess? Um dies zu beantworten, muss man eine weitere Frage stellen: Wieso glauben Menschen generell an Religion und spezifisch an eine wortwörtliche Interpretation davon? Ich glaube an den praktischen Wert der Religion. Sie bietet Halt und Sicherheit, wo dies benötigt wird. Sie kann Menschen Kraft, einen Sinn und ein Zugehörigkeitsgefühl schenken. Das Gefühl, Teil von etwas Wichtigerem, Grösserem zu sein. Man kann beobachten, dass oft Leute, die in einer schwierigen Phase stecken, sich dem Glauben zuwenden, weil die oben genannten Werte benötigt werden. Ich glaube auch, dass wenn wir Menschen tiefgründige Fragen, wie jene der Zugehörigkeit, des Unwissens über den Tod oder nach dem Sinn des Lebens befriedigend beantworten könnten, die Religion teilweise überflüssig werden oder zumindest weiter an Stellenwert verlieren würde. Hier liegt laut meiner Theorie der springende Punkt für das Ablösen der Religion durch die Philosophie: Die Philosophie beschäftigt sich, wie die Religion, mit alten und tiefgründigen Fragen der Menschheit. Sie versucht zu beantworten wieso, was und wer wir sind. Jeder Mensch beschäftigt sich mit diesen Fragen und lässt aufgrund der tiefgründigen Natur nicht locker, bis er eine für ihn befriedigende Antwort gefunden hat. Nur weil Menschen mit einem neuen Blickwinkel Antworten auf ihren Fragen fanden, war es ihnen möglich, der Religion nach und nach weniger Gewicht zuzuschreiben. Dies geschah während der Aufklärung. Es ist zu erwähnen, dass die Philosophie schon weitaus länger existiert als das Zeitalter der Aufklärung. Jedoch wurden gewisse Inhalte der Philosophie aufgrund eines Widerspruchs mit der Religion verboten. Zudem wurde die Philosophie nach dem Mittelalter, im Gegensatz zu der Zeit der Antike, wo die Philosophie für wohlhabende Menschen bestimmt war, für immer mehr Menschen zugänglich.

Es war für mich eine Herausforderung zu einer strukturierten Idee für diesen Blog-Eintrag zu kommen. Als ich die Idee hatte, wurde die Arbeit deutlich leichter.  Ich verfüge nicht über genügend fundiertes Wissen, um genauere Aussagen über die Bedeutsamkeit der Philosophie vor und während der Aufklärung anzustellen oder um zu beurteilen, inwiefern die Philosophie die Religion abgelöst hat. So sind meine obigen Aussagen mit Vorsicht zu geniessen. Trotzdem empfand ich das Entwickeln des Gedankenganges als sehr interessant, unabhängig von der geschichtlichen Akkuratheit. Die Idee, die Bedeutsamkeit der Religion im Auseinandersetzen mit tiefgründigen Fragen zu sehen, ist in der Essenz dieselbe oder zumindest verwandt mit der Vorstellung Lessings. Er nannte es «natürliche Religion».